Bombenanschlag auf Niedersächsischen Justizminister - Teil 3

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Bombenanschlag auf den Niedersächsischen Justizminister – Teil 3

Die mit Spannung erwartete Verhandlung im Fall des angeblichen Bombenattentäters Olaf Mertins vor der 6. Kammer des Landgerichts Hannover unter Vorsitz der Richterin Wevell von Krüger - meinen Lesern bereits durch einige fragwürdige Urteile bekannt – wurde kurzfristig abgesagt. Die vierte Terminverlegung in Folge! Jetzt – nach 2 Jahren - fiel dem Landgericht auf, dass das Verwaltungsgericht Hannover vergessen hatte, dem Kläger Prozesskostenhilfe zu gewähren, bevor das Verfahren abgetrennt und überwiesen wurde. Auch das Verwaltungsgericht hat sich im vorliegenden Fall bislang nicht mit Ruhm bekleckert – siehe Beitrag vom 1.7.2015 „Verwaltungsgericht Hannover zwischen Fiktion und Märchenwelt“.

Jetzt sind neue Ungereimtheiten ans Tageslicht gekommen. So soll der Aktenvermerk von Staatsanwalt Streufert vom 12. Dezember 2008, in dem die Behauptung, der Kaufmann habe einen Bombenanschlag geplant, als ein Fehler/Irrtum im internen Kommunikationsablauf entlarvt wird, dem Verwaltungsgericht sogar vorgelegen haben. Da die Staatsanwaltschaft Hannover trotz der gegenteiligen schriftlichen Verfügung ihres Mitarbeiters ein Ermittlungsverfahren gegen den Kaufmann eingeleitet hat - wie durch ein Schreiben der Staatanwaltschaft vom 9. Februar 2009 bestätigt –, wurde Staatsanwalt Streufert entweder nicht ernst genommen oder es gab weitere „interne Irrtümer in der Kommunikation“ der Ermittlungsbehörden.

Dies und der besagte Vermerk hätten den zuständigen Richter beim Verwaltungsgericht stutzig machen müssen. Auch hätte er die Glaubwürdigkeit des Leitenden Oberstaatsanwalts Dr. Jörg Fröhlich hinterfragen müssen, hatte dieser doch in einem Gespräch mit mir Ende September 2014 behauptet, ein Telefonmitschnitt des OLG Celle beweise, dass Olaf Mertins sehr wohl mit einem Bombenanschlag gedroht habe. Inzwischen liegt mir die Kopie der Niederschrift des angeblichen  Mitschnitts mit dem Aktenzeichen 11-12-ro vom 11.12.2008 vor. Merkwürdigerweise ohne Behördenlogo, ohne Unterschrift und ohne Hinweis auf den Verfasser. Für einen behördlichen Aktenvermerk mehr als befremdlich. Fest steht indes, dass die Telefonnotiz keinen einzigen Hinweis auf ein geplantes Bombenattentat enthält. Aber womöglich hatte der Leiter der Staatsanwaltschaft Hannover ja Albträume, die ihn zu der unzutreffenden Behauptung veranlasst haben. Bei den sich häufenden Pannen seiner Behörde – u.a. die Maulwurf-Affäre, die in diesen Tagen erneut an Fahrt gewonnen hat, und die glücklosen Ermittlungen in den Fällen Christian Wulff und Sebastian Edathy – wäre das kaum verwunderlich.

Die Widersprüche im vorliegenden Fall erinnern fatal an den Justizskandal  „Alexander C.“, in dem der Buchautor Klaus Jost ebenfalls „haarsträubende widersprüchliche Aussagen, verschleppte Spuren und selektive Zeugenaussagen“ ausgemacht hat – Klaus Jost „Der Fall Alexander C. – Konfrontation mit der Staatsgewalt", Lehmanns Verlag Berlin. Den Aussagen von Mertins zufolge hat es geschlagene 7 Jahre gedauert, bis der den Kaufmann entlastende Aktenvermerk von Staatsanwalt Streufert den Weg zu seinem Anwalt gefunden hat. Die Berliner Kanzlei Streifler und Kollegen, die sich bereits im Kachelmann-Verfahren mit Kommentierungen u.a. für den Fernsehsender SAT.1 einen Namen gemacht hat, hatte wiederholt nachgefragt, bis die Vorgangsakten mit dem Vermerk endlich auf ihrem Tisch landeten. Brisant an dem Sachverhalt ist auch, dass der 10. Kammer des Verwaltungsgerichtes der Vermerk von Streufert bereits im Dezember 2014 vorgelegen haben soll. Dennoch hat sie ihn in ihrem Beschluss vom 1. Juli 2015 augenscheinlich unter den Tisch fallen lassen und gegen den Kaufmann entschieden.

Besonders bedenklich: Wie im Fall „Alexander C.“ fehlen wichtige Aktenstücke. So teilte der Berichterstatter der 10. Kammer des Verwaltungsgerichts Hannover den Rechtsanwälten von Mertins am 27.2.2015 mit, dass eine Einsicht in die begehrte Akte nicht möglich ist, da die Akte seit dem 29.8. 2013 verschwunden sei. Vielleicht werde sie im Zuge des geplanten Umzugs des Gerichts wieder auftauchen, spekulierte der Richter. In einer aktuellen Stellungnahme wird zudem eingeräumt, dass die Kammer in ihrer jetzigen Besetzung zu keinem Zeitpunkt die Vorgangsakte der Polizeidirektion Hannover vorliegen hatte. Das klingt nach Kasperletheater und nicht nach ordnungsgemäßer Aktenverwaltung. Verschwundene Akten scheinen indes in der niedersächsischen Justiz keine Seltenheit zu sein. Auch in den von mir beschriebenen Fällen Norman Gilster, Carsten Schulz und Theodor Stahmeyer sind bekanntlich auf wundersame Weise Akten verschwunden.

Doch damit nicht genug. 6 Jahre nach Einstellung der Ermittlungen gegen Olaf Mertins sind jetzt plötzlich ein Zeugenvernehmungsprotokoll und ein Brief einer Zeugin aufgetaucht. In dem handschriftlich verfassten Schreiben deutete die Zeugin nicht nur die Gefahr ihres Suizids an, sondern brachte die Kinder des Kaufmanns ins Spiel. Die Vermutung drängt sich auf, dass die für das damals anhängige Sorgerechtsverfahren relevanten, die Position des Kaufmanns unterstützenden Unterlagen bewusst unter der Decke gehalten beziehungsweise in verschlossenen Schreibtischschubladen verwahrt wurden. Der damalige Datenschutzbeauftragte der Polizeidirektion Hannover P. holte sich zu diesem Zweck sogar vom seinerzeit amtierenden Polizeipräsidenten die Erlaubnis ein, die Vorgangsakten persönlich zu verwalten und nicht in den Geschäftsgang zu geben. Das erinnert an „schwarze Kassen“, nur dass es sich vorliegend um „schwarze Akten“ handelt.

Verschwundene Akten, tote Richter als Zeugen, nachzulesen im Blogbeitrag „Pannenbehörde Staatsanwaltschaft Hannover“, Zeugenvernehmungsprotokolle, die zunächst geleugnet werden und dann überraschend wieder auftauchen, selektive Zeugenbefragungen, schwarze Akten und Richter und Staatsanwälte, die Fakten ignorieren. Zugegeben: Fehler können passieren, auch in Behörden. Doch sollte man dazu stehen, um die Lage nicht immer verzwickter zu machen, wie übrigens auch im Fall des misshandelten und getöteten Jurastudenten Alexander C. geschehen.
Um eine Stellungnahme zu meinem Beitrag gebeten, teilte die Pressestelle des Verwaltungsgerichts Hannover mit, dass sie nicht erkennen könne, inwieweit das Verwaltungsgericht betroffen sei, da es doch um eine Verhandlung des Landgerichts gehe. Das Landgericht selbst hat nicht geantwortet.

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3 Kommentare

  • Ka.B.
    Ka.B. Samstag, 19. September 2015 09:57 Kommentar-Link

    Sehr geehrte Frau Raddatz,
    als eine Art "Insider" kann ich Ihnen versichern, dass Sie mit Ihrem Beitrag mal wieder den Nagel auf den Kopf getroffen haben. Das Landgericht hat eine Stellungnahme anscheinend verweigert, weil der Präsident Guise-Rübe selbst in dem Sachverhalt involviert war und als Strafanzeiger gern Öl ins Feuer gegossen hat. Eine Hand wäscht die andere. Die Hände von Frau Wevell von Krüger müssen demnach glänzen.
    Was Ihre Anmerkung zum OLG Celle angeht, kann ich Ihre Ansicht / Hoffnung nicht teilen. Da der tote Richter ja einer von ihnen war, will man dort die Sache bestimmt auch nicht weiter vertiefen.
    Es gibt auch Gerüchte, wonach einige Kollegen in den Behörden Ihre Arbeit als "unwichtig" einstufen. Lassen Sie sich nicht von diesen Parolen und Kritiken entmutigen. Mitleid bekommt man geschenkt, Neid und Kritik muss man sich sehr hart erarbeiten.

    Anmerkung der Autorin: Mit den Hinweis auf das OLG Celle ist vermutlich mein Blogbeitrag "OLG Celle sorgt für Rechtssicherheit" gemeint, in dem die Rechtsprechung der dort ansässigen Senate an Hand konkreter Beispiele positiv bewertet wurde.

  • He.M.
    He.M. Freitag, 18. September 2015 19:03 Kommentar-Link

    Ich finde es beeindruckend, dass Sie in dieser unübersichtlichen Rechtssache mit vielen Gerichten noch den Überblick behalten. Leider scheint der Presseabteilung des Verwaltungsgerichtes dieser verloren gegangen zu sein.
    Beim Landgericht Hannover erhält man den Eindruck, dass die Öffentlichkeit als störend empfunden wird. Vier Termin und alle wurden abgesagt, Entscheidungen ohne öffentliche Sitzung. Die Richterinnen und Richter der Kammer suchen ihre Anerkennung anscheinend lieber beim Mittagessen in der Kantine mit den eigenen Kollegen. Die Öffentlichkeit wird nur zur Erbringung der Steuereinnahmen benötigt, um die Besoldung sicherzustellen.
    Ich finde es gut, dass Sie, Frau Raddatz, den Behörden "auf den Zahn" fühlen. Ich freue mich auf ihre weiteren Beiträge und wünsche Ihnen weiter viel Erfolg beim Schreiben.

    Ich hoffe aber auch, dass Sie noch Zeit für Ihr Sachbuch finden.

  • TWS
    TWS Donnerstag, 17. September 2015 17:05 Kommentar-Link

    Haben da einige bei den Heilpraktikern in Handeloh die Szenedroge „2C-E“ abgegriffen mit der Folge dass Haluzinogene die Wahrnehmung trüben?
    Bei einer Überdosierung sind Wahnvorstellungen und psychoseähnliche Zustände möglich. Wohl kaum!
    Mangelndes Rechts- und/oder Unrechtsbewusstsein – möglich?
    Die Justiz fischt fröhlich im Trüben; eine Justizkrähe hackt der anderen kein Auge aus.


    Einem Forschungsreisenden wird das Rechtssystem einer Strafkolonie vorgeführt.

    … Die Mitteilungen über das Gerichtsverfahren hatten ihn nicht befriedigt. Immerhin mußte er sich sagen, daß es sich hier um eine Strafkolonie handelte, daß hier besondere Maßregeln notwendig waren und daß man bis zum letzten militärisch vorgehen mußte. …

    … Der Reisende überlegte: Es ist immer bedenklich, in fremde Verhältnisse entscheidend einzugreifen. Er war weder Bürger der Strafkolonie, noch Bürger des Staates, dem sie angehörte. Wenn er die Exekution verurteilen oder gar hintertreiben wollte, konnte man ihm sagen: Du bist ein Fremder, sei still. Darauf hätte er nichts erwidern, sondern nur hinzufügen können, daß er sich in diesem Falle selbst nicht begreife, denn er reise nur mit der Absicht, zu sehen, und keineswegs etwa, um fremde Gerichtsverfassungen zu ändern. Nun lagen aber hier die Dinge allerdings sehr verführerisch. Die Ungerechtigkeit des Verfahrens und die Unmenschlichkeit der Exekution war zweifellos. …

    »Dieses Verfahren und diese Hinrichtung, die Sie jetzt zu bewundern Gelegenheit haben, hat gegenwärtig in unserer Kolonie keinen offenen Anhänger mehr. …«

    Aus: In der Strafkolonie, Dr. jur. Franz Kafka (Oktober 1914)

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