Bombenanschlag auf Niedersächsischen Justizminister? Teil 2
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Bombenanschlag auf Niedersächsischen Justizminister? Teil 2
„Wer bringt die niedersächsische Justiz in Ordnung?“ fragt die HAZ in Ihrem Leitkommentar vom 2. Juni. Eine berechtigte Frage: Die Maulwurfaffäre ist nicht aufgeklärt, noch immer darf gerätselt werden, wer dann nun Dienstgeheimnisse in den Fällen Christian Wulff und Stephan Edathy verraten hat. Dazu der offensichtliche Zoff zwischen dem Leiter der Staatsanwaltschaft Hannover und dem Generalstaatsanwalt. Auch die diversen Justizskandale sind nicht in Vergessenheit geraten.Und über all dem schwebt das Ärgernis, dass die Kritik vermutlich am Ende (mal wieder) die Falschen trifft, die mehrheitlich fleißigen, kompetenten Richter, Staatsanwälte und Ermittlungsbeamte, deren Ruf als Mitarbeiter des niedersächsischen Justizapparates in ein schiefes Licht zu geraten droht. Auch deshalb bleibe ich meinem Grundsatz treu, keine Pauschalkritik am Justizapparat zu üben, wie dies in den meisten Sachbüchern über Justizskandale und Justizopfer der Fall ist.
Unter den bislang von mir vorgestellten Justizgeschädigten überwiegt das Interesse am Fall des Kaufmanns Olaf Mertins, der angeblich einen Bombenanschlag geplant hatte. Später war bekanntlich von einem Kommunikationsirrtum die Rede. Doch wie konnte es überhaupt zu einem Kommunikationsfehler mit derart dramatischen Folgen kommen? Die familiäre und finanzielle Lage des Kaufmanns wurden durchleuchtet, die Persönlichkeitsstruktur hinterfragt, zudem mit seiner Lebensgefährtin und seinen Eltern gesprochen. Noch immer ist die Frage unbeantwortet, wer oder was den Polizeibeamten F. veranlasst hat, in der Akte zu vermerken, Mertins habe damit gedroht, sich und den niedersächsischen Justizminister in die Luft zu sprengen? Seither sind fast sieben Jahre ins Land gegangen. Mehr als genug Zeit aufzuklären, wer der Verursacher der Verdächtigung war. Und war es tatsächlich ein Richter des Oberlandesgerichts Celle, der den Ermittlungsbehörden eine entsprechende Aufzeichnung eines Telefonmitschnitts zur Verfügung stellte? Zweifel sind angebracht, seit wann werden Telefonanrufe bei Gerichten mitgeschnitten? Und falls es den Mitschnitt tatsächlich geben sollte, weshalb wird dem Beschuldigten keine Kopie des Originaldokuments mit nachvollziehbaren Angaben ausgehändigt? Hat doch die niedersächsische Justizministerin gerade erst Transparenz in der Justiz zur obersten Tugend erklärt.
Auch die Rolle des Justizministeriums selbst wirft Fragen auf, wurde der zu einem Gespräch einbestellte Kaufmann doch im Treppenhaus des Ministeriums von vier Polizeibeamten „überwältig“ und auf Sprengstoff untersucht. Und dass, obwohl ein Staatsanwalt zuvor gegenüber dem Ministerium darauf hingewiesen hatte, dass die von Mertins angekündigten Aktionen rechtlich unbedenklich seien. Und welche Rolle hat der Richter am Oberlandesgericht Christian Heck in dem offensichtlichen Durcheinander gespielt. Heck, der neben zwei weiteren Richtern an der Ausgangssituation beteiligt gewesen sein soll, durch die der Kaufmann sich geschädigt fühlte. Dass Christian Heck in Studentenzeiten Mitglied des Thule Seminars gewesen sein soll, wie die Sachsenzeitung am 27. Mai 2008 berichtete, mag man unter der Rubrik Jugendsünden abtun. Selbst wenn das Bundesamt für Verfassung die Organisation als rechtsextreme Ideenschmiede einstuft. Andererseits: Ehemalige RAF-Sympathisanten und aktive Unterstützer gelten heute ebenfalls als geachtete Bürger und kaum jemand nimmt an Ihrer studentischen Vergangenheit Anstoß.
Und doch habe ich bei meinen Buchrecherchen den Eindruck gewonnen, dass die von der Justizministerin propagierte Transparenz im Fall Mertins kaum mehr als ein Lippenbekenntnis ist. Weshalb sonst gibt es auch nach 7 Jahren noch so viele offene Fragen und was soll die Feststellung der 10. Kammer des Verwaltungsgerichtes Hannover, ich hätte die Staatsanwaltschaft um ein Gespräch in meiner persönlichen Sache ersucht, obwohl schwarz auf weiß nachzulesen ist, dass ich konkrete Fragen zum Fall Mertins zur schriftlichen Beantwortung gestellt habe und der Vorschlag zu einem Gespräch von Oberstaatsanwalt Thomas Klinge an mich herangetragen wurde? Fehler sind menschlich, auch Staatsanwälte, Ermittlungsbeamten und Richter sind nicht davor gefeit. Vertuschungsstrategien allerdings bewirken zumeist das Gegenteil.
4 Kommentare
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Ka. B. Dienstag, 23. Juni 2015 09:50 Kommentar-Link
Sehr geehrte Frau Raddatz,
zuerst möchte ich Ihre kritische und faire Arbeit bei der Berichterstattung loben.
Ich bin selbst Beteiligte in dem Sachverhalt und wurde - mit Wissen der Richter des Verwaltungsgerichtes Hannover - durch die Polizeidirektion Hannover bedroht und mit Verleumdungen überschüttet. So hat der Polizeibeamte Pfahl mich persönlich angerufen und mit den Worten bedroht, ich solle aufhören in dem Fall auszusagen. Ansonsten könnte man hier noch ganz andere Dinge machen". Auch wurde in der mündlichen Sitzung durch Herrn Pfahl und seiner Kollegin Bockhorn behauptet, das Handy, worüber das Bombenattentat angedroht wurde, wäre auf meinen Namen registriert. Die Richter duldeten vor den Zuschauern und der Presse die Nennung meines Vor- und Zunamens und merkten erst dann mit einem Lächeln an, dass man den Sachverhalt nicht vertiefen muss. Die falsche Behauptung blieb so im Raum stehen.
Ich kann mich nur den anderen Beobachtern in der Verhandlung anschließen, wonach die Richter der 10. Kammer die Position eines "devoten Sklaven ihres Dienstherrn" einnahmen und unter Vorsatz (Fahrlässigkeit kann man definitiv ausschließen) die Beamtenkollegen schützen wollten. Es war offensichtlich, dass die Beweisakten nicht vollständig waren.
Im Übrigen wurde ich selbst nie als Zeuge befragt, obwohl ich hierfür benannt war. Das Wegschauen der Berichterstatterin Lange war hier wirklich aktives Mitmachen.
Viele in meinem Umfeld freuen sich schon auf Ihre weiteren Berichte und auf Ihr Sachbuch, auch wenn es später bei den Gerichten in Hannover als Roman einsortiert werden sollte. -
KW Montag, 15. Juni 2015 09:28 Kommentar-Link
Als Beobachter des Sachverhaltes und Teilnehmer an der Verhandlung vor Ort fiel mir auf, dass die Richter versucht haben, eine devote Schutzfunktion für die Polizei Hannover einzunehmen. Gerade die Maßnahme, für die Verlesung des Urteils keinen festen Termin nennen zu wollen, deutete darauf hin, dass die Richter als generelle Antipode zum Kläger die Öffentlichkeit scheuen. Eine Teilnehmerin beurteilte die Handlungen und Aussagen der Berichterstatterin (Lange, VG Hannover) mit den Worten "wegschauen ist mitmachen". Ein anderer Besucher stellte sarkastisch die Frage, ob die Richter und Polizeibeamte im Tal der Ahnungslosen wohnen würden.
Wenn ein Polizeipräsident, so wie gerade geschehen, und beteiligte Staatsanwälte (Dres. Fröhlich, Weissenborn, Klinge) versuchen, durch eine gespielte Unwissenheit die Situation zu beschönigen, zeigt dieses nur die Lage in der sich das Land Niedersachsen mit seiner Justiz und Ermittlungsbehörden befindet. Der Landespolizeipräsident Binias war an dem damaligen Sachverhalt schließlich beteiligt und hat die Tätigkeiten nicht nur geduldet, sondern in Form von handschriftlichen Notizen unterstützt.
Im September soll wieder eine Verhandlung in der Öffentlichkeit stattfinden (Landgericht). Ich bin mir sicher, dass die dortigen Richter bereits Abstimmungen vorgenommen haben, damit belastenden Situationen für ihre Kollegen und ihren Dienstherren vermieten werden können.
"wegschauen ist mitmachen" und mitmachen macht - wie es der Polizeibeamte in der H.A.Z. geschrieben hat - anscheinend Spaß.
Ich hoffe Frau Raddatz, sie bleiben "am Ball" und berichten uns Lesern weiter über spannende Themen. -
Urban Mittwoch, 10. Juni 2015 18:40 Kommentar-Link
Sehr geehrte Frau Raddatz,
mit Begeisterung lese ich seit Monaten Ihre Beiträge und insbesondere die Berichterstattung über Herrn Mertins. Den Sachverhalt kannte ich bereits vor Ihren Veröffentlichungen. Ich finde es gut, dass Sie sachlich und trotzdem kritisch darüber berichten.
Die Aussage der 10. Kammer des Verwaltungsgerichtes, wonach Sie nur eine Romanautorin wären, ist eine unzumutbare Duldung Ihre Schreibstils. Man kann nur hoffen, dass die Richter diese Aussage nicht in eine gerichtliche Entscheidung schreiben.
Ich freue mich auf eine Fortsetzung Ihrer Berichterstattung und die Veröffentlichung Ihres neuen Sachbuches. -
T.W. Stahmeyer Dienstag, 09. Juni 2015 11:45 Kommentar-Link
„ Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus .” Was der Volksmund in dem Sprichwort ausdrückt, haben Evolutionsforscher in einem Versuch mit Saatkrähen wissenschaftlich bewiesen. Das Team am Leipziger Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie konnte zeigen, dass Krähen zusammenarbeiten, wenn sie auf diese Weise an Futter kommen. „Saatkrähen entwickeln wie Schimpansen und andere Primaten gemeinschaftliche Bündnisse mit ihren Artgenossen”, heißt es in der Studie.
Der Begriff "Primat" oder Herrentier stammt vom lateinischen primus (der erste) und bezieht sich auf den Menschen als „Krone der Schöpfung“. Aber:
"All animals are equal, but some animals are more equal than others. (Georg Orwell)